Worten folgen Taten

  • 14. Dezember 2020
  • 0
Beschlagenes Fenster mit Blick auf die Dächer einer Stadt.
Während ich in meinem Zimmer seitenlange Rechercheprotokolle füllte, machte er sich wieder bemerkbar, der alte Dämon. (Foto: Unsplash)

Es ist ein schwieriges Thema: Antisemitismus. Und in Zeiten von Corona keines, das auf breites Interesse stösst. Und trotzdem verliert Antisemitismus nie an Relevanz. Denn er ist immer da.

Als ich im Frühling die Recherche für meine Beiträge begann, stand ich vor einem riesigen Thema. Ich hatte mir den Antisemitismus vorgenommen. Der Terroranschlag auf eine Synagoge in Halle war erst ein paar Monate her und ich wollte wissen, wie es in der Schweiz aussieht. Genauer: bei den Linken. Ich begann zu recherchieren und blieb bei der linken Parteipolitik hängen. Ich las von Politikern und Terroristen, Politikern und antisemitischen Organisationen, Politikern und Floskeln. Immer tiefer tauchte ich ein in die Welt der internen Parteipolitik und sah irgendwann nicht mehr heraus.

Ich wollte relevant bleiben, also stellte ich um. Fing nochmal bei null an. Ich fokussierte mich auf israelbezogenen Antisemitismus, weil der in linken Kreisen besonders oft vorkommt. Ich führte Interviews und Hintergrundgespräche, ich wandte mich an bekannte Historiker, an Professoren, an Betroffene. Meine Fragen waren immer die gleichen: Was hat Israel mit Antisemitismus zu tun und warum ist das bei den Linken ein Thema? Wie fühlen sich eigentlich jüdische Menschen in der Schweiz? Und wo hört Kritik auf, wo fängt Antisemitismus an? Ich las Studien, Artikel, Bücher.

Und immer wieder musste ich von vorne anfangen. Ein bekannter Unterstützer der pro-palästinensischen Bewegung BDS zog sein Interview ein paar Tage später wieder zurück, weil er «den Zeitpunkt nicht für opportun» erachtete. Andere wollten erst gar nicht mit mir reden.

Und dann war da noch Corona. Die Welt war plötzlich mit anderen Themen beschäftigt. Infektionszahlen, Schreckensbotschaften und neue Erkenntnisse zu dem alles beherrschenden Virus dominierten die Newsspalten.

Und ich fragte mich: Wer interessiert sich überhaupt für Antisemitismus? Und wer nimmt sich die Zeit, sich mit so einem komplexen Thema auseinanderzusetzen, wenn gerade eine Pandemie grassiert?

Doch während ich in meinem Zimmer sass und seitenlange Rechercheprotokolle füllte, dauerte es nicht lange und er machte sich wieder bemerkbar, der alte Dämon. Mit Corona kamen die antisemitischen Verschwörungstheorien: Das Virus sei von «Zionisten» in israelischen Labors hergestellt worden. Menschen forderten auf, Juden mit dem Virus anzustecken, indem man sie umarmte und anhustete – um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Und ich wusste, dass das Thema Antisemitismus immer relevant ist.

Antisemitismus ist immer aktuell, weil er immer da ist. Er ist immer relevant, weil er alle Bereiche der Gesellschaft trifft. Er ist immer gefährlich, weil er auch hier in der Schweiz einen Nährboden hat, auf dem er wächst und gedeiht.

Worten folgen Taten.

Autor*in