Vom Einstieg bis zum Ausstieg. Ein ehemaliges Mitglied der rechtsextremen Gruppe PNOS (Partei National orientierter Schweizer) erzählt von seinen Erfahrungen und was er daraus mitnimmt.
Mit ihrem Motto «Konsequent, Sozial, National!» ist die PNOS (Partei National orientierter Schweizer) eine auf Bundesebene anerkannte, rechtsextreme, nationalistische Schweizer Partei. Ihr Logo ist ein eiserner Morgenstern, der an die mittelalterliche Schlagwaffe erinnert und mit der Schweizerflagge hinterlegt ist.
Gegründet wurde die Partei vor 20 Jahren von ehemaligen Blood&Honor-Schweiz Mitgliedern Jonas Gysin und Sacha Kreuz. Seit 2019 ist Florian Gerber der neue landesweite PNOS-Präsident. Die Gruppierung zählt schweizweit mehr als 800 registrierte Mitglieder und wurde 2001 vom Bundesamt für Polizei als rechtsextreme Organisation eingestuft.
Die Partei war Jahre lang politisch bedeutungslos, bis sie im Herbst 2016 zur Jubiläumsfeier verurteilte Neonazis wie Philipp Neumann, Sänger der rechtsrockband «Flack» und Sven Skoda von «Widerstand West» einluden. Wegen einer Einreisesperre konnte der Sänger von «Flack» jedoch nicht am Festival spielen. Er wurde von der Grenzwache zurückgewiesen. Die PNOS zeigten ihren Frust damals auf ihrer Facebook-Seite, in dem sie ihren Wunsch äusserten, dass doch alle Ausländer so schnell ausgeschaffen werden sollen, «Flack».
Die PNOS kommen immer wieder mit ihren politischen Aktionen mit dem Gesetz in Konflikt. Bei der Wahl von Florian Gerber war bereits bekannt, dass Gerber kein unbeschriebenes Blatt ist. Der neue Präsident war kurz vor der Elektion im Verwaltungsrat und Geschäftsleiter der Modemarke «Fighttex». Die Marke produziert Sportkleider für Kampfsportler*innen, die an die Überlegenheit der weissen Rasse glauben. Die Kleider sind mit verstecken Hakenkreuz-Symbolen und Wehrmachtspistolen verziert und waren auf der Neonaziwebseite «Whiterexstore» für den Kauf erhältlich.
«White lives matter» treffen auf antisemitische Verschwörungstheorien
Die PNOS positionierten sich während der diesjährigen «Black-Lives-Matter» Bewegung klar gegen die Proteste. Auf ihrer Facebook Seite posteten sie im Juni ein weisses Bild mit der Caption «white lives matter». Was bedeutet, dass sie die Proteste und ihre Message dahinter keines Wegs unterstützen und die Ansichten der «white supremacy» (die Ideologie der Überlegenheit der Weissen Rasse) teilen.
Auch während der Schokokuss-Debatte, waren sie gegen eine Namensänderung und forderten zum Kauf auf der Dubler Schokoküsse, um das Schweizer Traditionsunternehmen zu unterstützen. Auch der Präsident der Basler Sektion sorgte dieses Jahr für negative Schlagzeilen. Er verbreitete im Netz antisemitische Propaganda und Verschwörungstheorien.
In seinen Augen seien die Juden zur Zwangssterilisation da, weil die jüdische Rothschild-Dynastie und die amerikanische Rockerfeller-Stiftung einen Chip finanzieren würden, der für die geplante Corona-Impfung sei. Dies sei alles «ein Versuch, die Weltbevölkerung zu dezimieren und zu sterilisieren», sagt Tobias Steiger.
Auf der Suche nach neuen Anhängern
Auf der Startseite der PNOS werben sie mit Slogans wie «PNOS- Die Partei der Eidgenossen!» und versuchen in kurzen, anmachenden Sätzen die Partei schmackhaft für junge Menschen zu machen. «…Die Schweiz braucht die PNOS und die PNOS braucht Leute wie Dich. Leute, die nicht mehr einfach nur Ja und Amen sagen und die Faust in der Tasche machen, sondern auf die Strasse gehen und für die ewig gültigen eidgenössischen Werte kämpfen.»
Jens erzählt
Allgemein suchen sie oftmals nach Menschen, die sich nach Halt und Zugehörigkeit in der Gesellschaft sehnen. Sie versuchen mit regelmässigen Treffen und Einladungen dieses Defizit zu ersetzen. Genau das haben sie auch mit Jens gemacht. Drei Jahre lang war Jens Mitglied der rechtextremen Partei PNOS. Wir trafen uns für ein Interview, um über seine Erfahrungen vom Einstieg bis zum Ausstieg zu sprechen.
Auf der Suche nach Halt und Zugehörigkeit
Bevor er sich der Partei anschloss, beschreibt er sich als eine «verschupfte» Person, die eher jähzornig und unter ADS (AufmerksamkeitsDefizitSyndrom) litt. Der Wechsel von der Steinerschule zur Staatsschule machte ihm zu schaffen und er wurde zum Mobbing-Opfer.
Viele seiner Mitschüler*innen, die ihm die Schulzeit erschwerten, hatten einen Migrationshintergrund. Zusätzlich hat die ständige Inakzeptanz und kein Zugehörigkeitsgefühl zu verspüren, einen grossen Einfluss darauf, dass er sich der rechtsextremen Haltung näherte.
Begeistert von der Gabber Szene (eine Musikrichtung, die ursprünglich aus den Niederlanden stammt und eine Art Harcore-Techno ist) stosst er zum ersten Mal auf einige Mitglieder der PNOS, die ihm ein Gefühl Akzeptanz seiner Person verleihen.
Permanente Entscheidungen auf temporären Gefühlen
Die PNOS hat Jens ohne Vorurteile mit offenen Armen aufgenommen. Das ist mitunter einer der Hauptgründe, warum er sich dieser Gruppierung angeschlossen hat.
Der Einstieg beschreibt Jens als eher unkompliziert. Er musste kein «Aufnahmeprozedere» bestehen, um Mitglied der PNOS zu werden. Es geschah alles sehr schleichend. Bevor er sich weitere Gedanken zu seinen Taten machen konnte, war er bereits in illegalen Aktionen mit Kameraden der PNOS verwickelt.
Die PNOS gab ihm für eine Zeit lang das Gefühl, eine zweite Familie gewonnen zu haben. Er konnte mit ihnen offen über persönliche Themen sprechen. Sie gaben ihm das Gefühl, dass sie ihm in schwierigen Zeiten beistehen würden. Der Umgang untereinander beschreibt Jens als «Männer Fixiert». Es ging hauptsächlich darum, sich zu beweisen und der «Härteste» unter allen zu sein. Die Frauen in der Gruppe wurden nur in Ausnahmefällen anders behandelt. Diese Frauen seien deswegen nicht zu unterschätzen, so Jens. Er würde sich fürchten, einer dieser Frauen auf offener Strasse zu begegnen.
Die Hauptaktivitäten, beschreibt Jens, waren hauptsächlich «Saufen» und Rechtsrock Musik hören. Zugang zu diesen Musikgenres haben sie sich in diversen CD-Geschäften verschafft. Meistens waren die Inhaber*innen Sympathisanten der PNOS und hatten Rechtsrock-CDs versteckt im Hinterraum auf Lager. Die Musik handelt sich meistens um das Dritte Reich, Hitler, um die Unschlagbarkeit der «weissen Rasse». Dieses Musikgenre ist im Allgemeinen geprägt von Propaganda.
Als die ganze Euphorie von Zugehörigkeit, Familiengefühl und Akzeptanz etwas abklang, fing Jens langsam an zu merken, dass all dies eine Scheinwelt war. Viele Aktionen, bei denen er mitgemacht hat, erschienen ihm langsam aber sicher als falsch. Er fing an, die Ansichten der PNOS zu hinterfragen und merkte schnell: «Das ist veraltet und schränkt mich ein.»
Der Ausstieg beschreibt Jens am Anfang als eher unkompliziert. Er wollte seine ehemaligen Kameraden nicht mehr sehen und ist nicht mehr zu den Treffen gegangen. Doch so ungeschoren kam er nicht davon. Die Mitglieder warfen ihm mit der Zeit nach, er sei ein Verräter und gehöre jetzt zur «anderen Seite an». Die Entscheidung aufzuhören hatte seine Nachwehen. Jens wurde des Öfteren von seinen ehemaligen Kameraden verprügelt und erhielt Drohungen aller Art.
Es wurde Licht in einer dunklen Welt
Es wussten nur sehr wenige, dass er über längere Zeit Teil einer rechtsextremen Gruppe war. Daher hat er keine grosse Reaktion von seinem Umfeld verspürt, als er den Ausstieg wagte. Doch meint er, dass der Ausstieg eine Art Sonnenaufgang in seinem Leben war. Seit dem er sich entschieden hatte, nicht mehr bei der PNOS dabei zu sein, verstand er sich besser mit seiner Familie, die er während dieser Zeit mehrheitlich aus dem Weg ging. Dass er direkt ins Militär einrücken konnte, habe ihm viel Halt, neue Aussichten und Freunde gegeben.
Auf die Frage, wie er mit diesem Lebensabschnitt umgeht und ob er mit Familie und Freunden darüber spricht, meint er, dass seine Familie nichts davon weiss, ausser von seinem Bruder er weiss darüber Bescheid. Sein neuer Kollegenkreis von der Antifaschistischen Seite seien tolerant und nehmen es ihm nicht böse, worüber er sehr dankbar ist.
Seine jetzige politische Einstellung beschreibt Jens als eher Links. Er setzt sich stark für die Linke-Szene ein und macht aktiv bei Demonstrationen mit. Er denkt, es sei auch möglich, dass er seine Taten von damals kompensieren möchte und nach innerem Frieden suche, um mit diesem Lebensabschnitt abschliessen zu können. Jens streitet sein damaliges Verhalten nicht ab und steht zu 100 Prozent dahinter, stolz ist er aber nicht darauf.
Seiner Meinung nach muss die Schweiz unbedingt präventiv aktiv werden, um ein Bewusstsein gegenüber rechtsextremen Gruppierungen zu schaffen. Es sei wichtig Kinder zwischen dem Primar – und dem Sekundar – Alter darauf aufmerksam zu machen, dass es solche Parteien gibt und wie gehandelt werden soll, wenn sie angesprochen werden. Auch hätte er sich von seinen ehemaligen Lehrpersonen gewünscht, dass sie ihm und seinem Mobbing Problem in der Sekundarschule mehr Aufmerksamkeit geschenkt hätten und ihm nicht das Gefühl von «links liegen geblieben» gegeben hätten. Dann müsste er heute vielleicht nicht über diese dunkle Zeit sprechen.