Wann hat der Bund das Recht, Neonazis Grenzen zu setzen? Erst, wenn aus rechtsextremen Gedanken rechtsextreme Taten werden?
Obwohl die Schweiz nie dem Regime des faschistischen Nationalsozialismus unterlag, entwickelten sich hier schon Mitte der 1920er Jahre gleichgesinnte Gruppierungen. Zum Beispiel entstand 1936 die «eidgenössische soziale Arbeiterpartei (ESAP)». Das Gedankengut des damaligen faschistischen Deutschen Reichs fand somit zeitgleich auch ideologische Anhänger seitens der Schweiz. Auch noch 75 Jahre nach dem Fall des Deutschen Reiches werden rechtsextreme Gedanken in der Schweiz beherbergt.
«Die Schweizer rechtsextreme Szene ist im Aufbruch»
NDB
Aus dem «Sicherheit Schweiz – Lagebericht des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB)» geht hervor: «die Schweizer rechtsextreme Szene ist im Aufbruch». Im Jahr 2018 wurden «53 Ereignisse im Bereich des gewalttätigen Rechtsextremismus» bekannt, was eine Verdreifachung zum Jahr 2017 bedeutet. Laut diesem Lagebericht wurden 2018 jedoch keine Gewalttaten in Verbindung mit Rechtsextremismus begangen. Der NDB ist ein «sicherheitspolitisches Instrument der Schweiz», welches unter anderem «für die Früherkennung und die Bekämpfung von gewalttätigem Extremismus verantwortlich ist». Stichwort hier ist: gewalttätiger Extremismus.
Grundregeln aus dem Jahr 2009
Laut dem Nachrichtendienstgesetzes (NDG) aus dem Jahre 2009 ist dem Nachrichtendienst des Bundes nur erlaubt präventive Überwachung zu tätigen, wenn «gewalttätig-extremistische Aktivitäten im Sinne von Bestrebungen von Organisationen, welche die demokratischen und rechtsstaatlichen Grundlagen ablehnen und zum Erreichen ihrer Ziele Gewalttaten verüben, fördern oder befürworten» angestrebt werden.
Kurz: Das reine Kundtun von Ideologien und politischen Überzeugungen reicht nicht aus, damit der NDB in der Prävention aktiv wird. Was es explizit braucht, wäre zum Beispiel ein Aufruf von Gewalt gegen eine Minderheit, oder das Planen einer Gewalttat. Doch wie gross ist der Unterschied zwischen dem Neonazi der brüllt, und dem der schlägt?
Gibt es Grund zur Sorge?
Vergangenen August rückt M.C.* in den Fokus der Medien und somit in den öffentlichen Diskurs. Er ist jung, geboren im Jahr 2000, absolviert sein Bachelorstudium an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) in Scientific Visualization. Vom antifaschistischen Infoblatt «barrikade.info» wird er in deren Nazi-Outing als «nicht nur Teil des NJS (Nationalistischen Jugend Schweiz), sondern auch der Kopf der sogenannten Eisenjugend Schweiz» genannt. Beide Gruppierungen konspirieren sich online zu einem «Rassenkrieg» und fallen unter anderem am Bahnhof Winterthur und an der ZHdK selbst mit antisemitischen Sticker-Aktionen auf.
Polizei ist informiert, Studenten werden aktiv
Zeitgleich: In einer Medienmitteilung vom 12.8.2020 teilt die Kantonspolizei Zürich in Zusammenarbeit mit der Stadtpolizei Winterthur mit, dass «bei einer gezielten Aktion gegen Personen, die im Verdacht stehen, rechtsextremes Gedankengut zu pflegen und weiterverbreiten zu wollen» mehrere Schusswaffen sichergestellt worden sind. C. war eine Zielperson dieser Hausdurchsuchungen.
Nachdem C.s rechtsradikale Weltsicht öffentlich gemacht wurde, starteten anonym gebliebene Studenten der ZHdK die Petition «NO NAZIS AT ZHDK», die die Hochschule unter anderem dazu aufgerufen hat, C. aktiv aus dem Schulalltag der ZHdK zu entziehen.
Fortsetzung folgt?
Die Zürcher Hochschule reagiert schleppend. Auf Anfrage zu einem Statement verweist die Pressestelle auf eine Mitteilung, in der die Hochschule, verkündet, dass an der ZHdK kein Rassismus geduldet werde. Dann bestrafen sie C. mit einem Disziplinarverfahren. C. ist es verboten, das Schulgelände der Kunstschule zu betreten, am Unterricht selbst muss er jedoch nicht fern bleiben.
Exmatrikulieren für seine rechtsextremen Ideologien können sie ihn nicht. Wäre eine Exmatrikulation vielleicht auch nur ein Tropfen auf den heissen Stein? Ob er nun an der ZHdK studiert oder nicht, der junge Rechtsextremist ist und bleibt ein Teil der Schweizer Gesellschaft.
*Name der Redaktion bekannt