«Hey. Ich wurde positiv auf Tripper getestet. Du solltest dich vielleicht auch testen lassen.» Als ich diese Worte am Telefon gehört habe, gingen mir viele Dinge durch den Kopf. Was ist Tripper? Bin ich nun irgendwie gefährdet? Warum muss ich mich jetzt testen lassen, wir haben doch aufgepasst? Eine Panik machte sich breit, denn ich wusste überhaupt nicht, was ich machen sollte.
Sexuell übertragbare Krankheiten, kurz STI (sexually transmitted infection) sind ein Thema, über welches wir nicht oft sprechen. Vielleicht kennt man es noch aus der Schulzeit, aber das wars dann auch schon. So war es zumindest bei mir. Damals wurden wir ausführlich über HIV aufgeklärt. Wie es übertragen wird, über befallene T-Helferzellen und wie man sich vor dem Virus schützt.
Ich erinnere mich an herumliegende Bananen, welche während des Bio-Unterrichts unter viel Gekicher mit Kondomen überzogen wurden. «Benutzt ein Kondom, dann seid ihr sicher», so der Grundtenor. Doch das ist leider nur die halbe Wahrheit. Denn ein Kondom schützt zwar vor HIV und Schwangerschaft (wenn richtig angewandt), aber trotzdem nicht vor allen sexuell übertragbaren Krankheiten.
Und was ist mit Syphilis, Gonorrhö & Co.?
Während Infektionen mit dem HI-Virus jährlich zurückgehen, erreichen bakterielle Geschlechtskrankheiten wie Gonorrhö (Tripper), Chlamydien und Syphilis jedes Jahr neue Höchstwerte. Krankheiten, welche sich nicht nur in der Symptomatik, sondern auch in der Übertragung von HIV unterscheiden. Syphilis und Gonorrhö (Tripper) können bereits durch Küssen übertragen werden, wenn sich entsprechende Bakterien im Rachenraum befinden. So habe auch ich mich vor zwei Jahren mit Tripper angesteckt, ohne von dieser Art der Übertragung zu wissen.
Ich war im Glauben, sicher vor STIs zu sein. Ich war stets vorsichtig. Nach meinem Gefühl habe ich mich nie wild ausgetobt. Vor neuen Beziehungen habe ich mich stets auf HIV testen lassen und dachte, damit sei ich sicher. Und trotzdem hat es mich nun erwischt. Ausgerechnet mich. Das hat mich erstmal ziemlich aus der Bahn geworfen. Aber ich bin nicht der Einzige – ich bin einer von vielen:
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Der Gang zum Arzt
Ich weiss noch, wie ich damals vor der Arztpraxis stand und es mich wahnsinnig viel Überwindung kostete, reinzugehen. Ich habe mich geschämt. «Was denken die bloss von mir», ging mir ständig durch den Kopf. «Geschlechtskrankheiten bekommt man doch nur, wenn man wild in der Gegend rum bumst und nicht aufpasst.» So war zumindest mein damaliger Eindruck.
Ich war nervös und ich hatte Angst davor, verurteilt zu werden. Ich hatte Angst vor Folgeschäden, und irgendwie habe ich mich schmutzig gefühlt. Es war ein richtiges Scheissgefühl. Am liebsten hätte ich mich umgedreht und wäre einfach wieder nachhause gegangen. Doch ich wusste, dass mir an dieser Stelle nichts anderes übrigblieb, als mich zu überwinden.
Nach dem kurzen Gespräch am Empfang hatte ich die erste Hemmschwelle geschafft. Ich wurde ins Sprechzimmer gebeten. Von da an war der Arztbesuch relativ entspannt. Die Ärztin war sehr verständnisvoll und hat mir von A bis Z alles erklärt, was ich über Gonorrhö wissen musste. Ich war erstmal überrascht, wie unwissend ich in Bezug auf STIs war. In dem Gespräch wurde mir klar, dass sexuell übertragbare Krankheiten fast jeden treffen können. Das war zwar eine unerfreuliche Nachricht, trotzdem hat es mich irgendwie beruhigt.
Alles nur halb so wild
Die Behandlung war unspektakulär. Ich bekam eine Spritze in die Pobacke und vier kleine Tabletten, welche ich alle auf einmal schlucken sollte. Es waren zwei verschiedene Antibiotika, welche bei einer Gonorrhö-Infektion (Tripper) oder beim Verdacht darauf verabreicht werden.
Irgendwelche unangenehme Symptome hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt zum Glück nicht, was übrigens keine Seltenheit ist. Gerade Syphilis und Gonorrhö verlaufen in vielen Fällen symptomlos und bleiben daher unentdeckt.
Der körperliche Schaden hielt sich bei mir also in Grenzen, psychisch ging das Ganze allerdings nicht spurlos an mir vorbei. Es hat danach eine Weile gedauert, bis ich meine «Trust Issues» wieder in den Griff bekommen habe.
Shit happens
Seit dem Erlebnis habe ich mich viel mit dem Thema sexuell übertragbare Krankheiten auseinandergesetzt und sehe es mittlerweile viel entspannter. Mir ist klar geworden, dass man sich nicht schämen muss, wenn man sich mit einer STI infiziert. Denn sind wir mal ehrlich, shit happens. Wer nicht ganz auf körperliche Nähe verzichten will, ist nie zu 100% sicher vor Geschlechtskrankheiten. Das sollte nicht verschwiegen werden, erst recht nicht in der Schule. Hätte ich schon damals mehr über das Thema erfahren, hätte mir das wahrscheinlich eine menge psychischen Stress erspart. Ich hätte gewusst, wie ich mit der Situation umzugehen habe.
In meinen Augen ist es ein Problem, dass das Thema Geschlechtskrankheiten aufgrund des «schmutzigen» Stigmas so schambehaftet ist. Das macht es zum Tabuthema, wodurch wichtige Informationen, welche zur Eindämmung der Infektionszahlen beitragen könnten, unausgesprochen bleiben. Meine Erfahrung hat zumindest mir gezeigt, dass es okay und durchaus auch spannend ist, offen über das Thema zu sprechen. Diese Offenheit wünsche ich mir für die Zukunft, denn Wissen ist in dieser Hinsicht die beste Prävention.