Ein Blick auf die Verteilung im Nationalrat zeigt: Die Altersgruppe zwischen 18 und 30 Jahren ist massiv untervertreten. Heisst das aber auch, dass deswegen meine Meinung nicht von unseren Politikern vertreten wird?
Das Schweizer Regierungssystem lässt sich in drei Gewalten aufteilen. Die Legislative macht Gesetze, die Exekutive setzt sie durch und die Judikative überprüft sie. Die Exekutive besteht aus dem Bundesrat, die Judikative aus den Gerichten und die Legislative aus dem National- und Ständerat.
Der Ständerat vertritt die Kantone. Er besteht aus 46 Mitgliedern, wobei jeder Kanton mit Ausnahme der Halbkantone zwei Ratsmitglieder stellt. Die Halbkantone stellen jeweils einen Ständerat. Das Machtverhältnis ist also gleichmässig auf die Kantone verteilt.
Frauenanteil und Alter im Nationalrat
Der Nationalrat hingegen widerspiegelt die Bevölkerung und verteilt seine Mitglieder daher nach Anzahl Einwohner*innen. Je mehr Einwohner*innen ein Kanton hat, desto mehr Nationalräte kann dieser Stellen. Im bevölkerungsreichsten Kanton, dem Kanton Zürich, sind dies 35. Im wesentlich kleineren Kanton Jura zum Beispiel nur zwei. Um die Bevölkerung sinnesgemäss zu widerspiegeln, sollte allerdings nicht nur die Bevölkerungszahl berücksichtigt werden.
Neben der Population sollte auch auf die Geschlechter- und Altersverteilung geachtet werden. Bezüglich der Geschlechterverteilung hat die Schweiz bei den letzten Wahlen einen sehr wichtigen Schritt in die richtige Richtung gemacht. In der Legislaturperiode 2015 bis 2019 lag der Frauenanteil im Nationalrat bei unter 35 Prozent. Seit 2019 sind 83 der 200 Nationalräte weiblich. Der Frauenanteil ist also auf 41.5 Prozent gestiegen. Meiner Meinung nach eine Entwicklung, die dringend notwendig war.
Anders sieht es bei der Altersverteilung im Nationalrat aus. Wirft man einen Blick darauf, stellt man fest, dass die jüngste und älteste Altersgruppe, 18 bis 30 und über 70, kaum im Nationalrat vertreten sind. Dafür ist die Altersgruppe zwischen 50 und 59 Jahren stark übervertreten. Dies hat sich auch nach den letzten Wahlen nicht gross verändert. Das Durchschnittsalter ist zwar von 50 auf 49 Jahre gesunken, die untervertretenen Altersgruppen haben aber davon kaum profitiert.
Ich bin 23 Jahre alt und somit mitten in einer sehr schwach vertretenen Altersgruppe im Nationalrat. Doch heisst das für mich auch, dass ich mich durch unseren Nationalrat schlecht vertreten fühle? Ich finde: Nein.
Weshalb ich mich trotzdem vertreten fühle
Wieso sollte ich mich auch durch einen jungen Nationalrat besser repräsentiert fühlen, als durch jemanden, der vielleicht 30 Jahre älter ist als ich? Klar, wahrscheinlich könnte ich in meinem privaten Leben und mit meinen privaten Interessen mehr Parallelen zu jemandem finden, der in meinem Alter ist. Das heisst aber noch lange nicht, dass ich mich mit meiner politischen Meinung auch eher mit jemandem aus meinem Alter identifizieren kann.
Nehmen wir als Beispiel die 30-jährige Tamara Funiciello und der 53-jährige Matthias Aebischer. Beide sind Nationalräte der SP im Kanton Bern. Funiciello seit 2019, Aebischer seit 2011. Obwohl Tamara Funiciello bezüglich Alter einiges näher an mir ist, fühle ich mich in meinen politischen Ansichten besser durch Matthias Aebischer vertreten. Während Funiciello in Ihrer Politik oftmals auf Provokationen setzt und extreme Positionen vertritt, empfinde ich die Politik von Aebischer als konstruktiver und offener für andere Meinungen.
Meinung und Auftreten vor Alter
Ich will damit nicht sagen, dass die Politik von Tamara Funiciello schlecht ist. Sie spricht mich einfach nicht an. Vertreten fühle ich mich nicht nur, wenn jemand dieselben Ansichten wie ich vertritt. Ebenso wichtig ist die Art und Weise, wie jemand Auftritt und seine Meinung transportiert. Wenn dies aus extremer Position geschieht oder zum Beispiel Gegner schlecht geredet werden, fühle ich mich, obwohl wir derselben Meinung sind, nicht mehr vertreten. Vielleicht auch, weil er oder sie mit einer solchen Positionierung nicht mehr meiner persönlichen Vorstellung einer Demokratie entspricht.
Was ich damit sagen will, ist, dass Politik wenig mit dem Alter der Politiker zu tun hat. Wie Andri Silberschmidt bereits in seinem Interview mit [vierseitig] gesagt hat, gibt es junge Menschen, die alt denken, und alte Menschen, die jung denken. Zu sagen, dass junge Politiker nur junge Menschen vertreten und umgekehrt, finde ich falsch. Wichtig ist im Nationalrat, dass alle Meinungen durch Politiker vertreten werden. Sowohl meine, wie auch andere.
Mein Fazit: Ich werde auch bei den nächsten Nationalratswahlen nicht speziell auf das Alter achten, während dem ich meine Liste einreiche. Vielmehr geht es mir darum, wie ich mich mit den Ansichten und dem Auftreten eines Politikers identifizieren kann.