Ich werde emotional. Ich werde unerträglich. Ich werde jetzt meine Meinung sagen. Es gibt Themen, die mir den Puls hochjagen. Homophobie ist so ein Thema. Willkommen in meiner Gedankenwelt.
Die Geschichte von Lena hat mich erschüttert. Sie wurde an einem Ort gross, der St. Michael Freikirche, die null Toleranz gegenüber homosexuellen Menschen hat. Gleichgeschlechtliche Liebe gilt in konservativ-christlichen Kreisen als eine Sünde, die direkt in die Hölle führt. Ihr Priester Thomas Graber versprach sie zu heilen von ihrem Lesbischsein. Mit der sogennanten Konversionstherapie. In der Schweiz ist dies seit dem 9. Februar 2020 verboten. Endlich!
Ich frage mich, ob Ignoranz auch therapierbar ist. Wie kann es sein, dass man Homosexualität als psychische Krankheit abstempelt, wenn zahlreiche Studien das Gegenteil beweisen. Ein Blick ins Tierreich beweist es: Im Schnitt praktizieren 1500 Tierarten gleichgeschlechtliche Paarung. Wer nicht damit klarkommt, dass Homosexualität auch bei Menschen vorkommt, sollte sich selbst hinterfragen.
Die Religionsfrage
Woher kommt diese Abneigung gegenüber Homosexualität? Was bedroht mich? Wie wird mein Leben deshalb negativ beeinflusst? Ich bin der Überzeugung, dass man auf keinen triftigen Grund kommt. Was ich immer höre sind beschämende Antworten wie: «Es ekelt mich an.» Wer solch eine Antwort liefert, ist nicht bereit, eine offene, ehrliche Diskussion zu führen. Nicht mit mir. Denn diese Antworten ekeln mich an.
In der Religion spielt Homophobie eine wichtige Rolle. Das zeigen auch meine beiden Artikel über Lena und Zeinab. Homosexualität ist eine Sünde, sei es im Christentum oder Islam. Dass es ein Zinsverbot in der Bibel bei Lev 25 oder bei Dtn 23 gibt, dazu sagt aber niemand etwas. Oder die Enthaltsamkeit, an die sich die wenigsten halten.
Die Worte im Koran oder in der Bibel werden gerne als verpflichtend angesehen, wenn sie das bestätigen, was der Gläubige selbst für gut hält. Meiner Meinung nach zeugt dies von Ignoranz. Laut dem katholischen Medienzentrum galt im Islam Homosexualität nie als grosse Sünde. Es wurde als Moralbruch angesehen. Im 19. Jahrhundert änderte sich das.
Das osmanische Strafgesetz verbot und saktionierte 1958 Homosexualität. Seither wird es auch theologisch als Sünde angesehen. Das zeigt einmal mehr die Absurdität. Die Menschen wurden gezwungen heterosexuell Beziehungen zu führen. Denn wer will schon riskieren, umgebracht zu werden? Bekanntlich schafft man es, durch gezielte Angstmacherei, Menschen zu manipulieren.
Und natürlich möchte ich nicht alle Christen und Muslime in einen Topf werfen. Das wäre absurd. Dafür kenne ich zu viele auch sehr positive Beispiele von Freunden und Bekannten. Das macht mir Mut.
Trotzdem: es braucht Veränderungen!
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass eine Diskussion mit homophoben Menschen meist hoffnungslos ist. Deshalb möchte ich mich hier klar und deutlich ausdrücken: Ihr habt das Gefühl mit psychischer und physischer Gewalt auf einen grünen Zweig zu kommen. Ist das euer Ernst? Wer in eine Wand boxt, macht nicht nur die Wand kaputt, sondern auch seine Hand.
Wenn ihr also versucht, Schwule und Lesben aus der Gesellschaft zu vertreiben, schadet ihr damit nur euch selbst. Denn ihr werdet niemanden vertreiben. Schwule und Lesben existieren nicht seit heute oder gestern. Also spart euch eure negative Energie doch für ernsthafte Probleme auf.
Denn euer Wille, etwas in dieser Gesellschaft zu verändern, braucht es! Aber nicht in Bezug auf Homosexualität. Denkt mal an Klima, Armut, Corona, Arbeitslosigkeit, Datenschutz. Meint ihr nicht auch, da gibt es mehr Bedarf, sich einzusetzen?